(Hauptteil)

(»Scherzo«)

(»Adagio«)

(»Rondo. Finale«)

>>> Quellen

AUFFÜHRUNGSDAUER: ca. 44 Min.

VERLAG:
Universal Edition
Belmont Music Publishers (USA, Kanada, Mexico)

Den Hauptgegenstand von Schönbergs kompositorischer Arbeit der Jahre 1904 und 1905 stellte das d-Moll-Streichquartett dar. Erste Skizzen entstammen dem Sommer 1904, ausgearbeitet hat er das Werk jedoch erst im darauffolgenden Jahr, während seines Sommeraufenthaltes in Gmunden am Traunsee. Die Uraufführung im Wiener Bösendorfer-Saal durch das Rosé-Quartett am 5. Februar 1907 endete in einem Tumult, wie Paul Stefan, ein früher Chronist des Schönberg-Kreises, berichtet: »Das Werk schien vielen unmöglich, und sie verließen während des Spiels den Saal; ein besonders witziger sogar durch den Notausgang. Als auch nachher noch vernehmlich gezischt wurde, ging Gustav Mahler, der unter dieser Zuhörerschaft saß, auf einen der Unzufriedenen los und sagte in seiner wunderbar tätigen Ergriffenheit und gleichsam für die entrechtete Kunst aufflammend: ›Sie haben nicht zu zischen!‹ – Der unbekannte, stolz vor Königen des Geistes (vor seinem Hausmeister wäre er zusammengebrochen): ›Ich zische auch bei Ihren Sinfonien!‹ – Die Szene wurde Mahler sehr verübelt.«
In einem Skizzenbuch Schönbergs von 1904/05 haben sich programmmusikalisch deutbare Stichworte erhalten, die aller Wahrscheinlichkeit nach auf die Musik des Ersten Quartetts bezogen werden können: sie reichen von »Auflehnung, Trotz« und »Verzweiflung« über »kampffrohe Kraft, Phantasieentfaltung, Schwung« und »höchsten Sinnenrausch« bis zu »stiller Freude und Einkehr von Ruhe und Harmonie«. Unmissverständlich hat Schönberg in späteren Jahren deutlich gemacht, dass er ein solches »Programm« zwar eindeutig fixiert habe, dass dieses aber gänzlich privater Natur sei, mithin der Entstehungsgeschichte, aber nicht der ästhetischen Substanz des Werkes zugehöre. Stattdessen verwies er nicht ohne Stolz immer wieder auf die konstruktive Leistung dieses großzügig dimensionierten, von weitgespannten Melodiezügen, aber auch von differenzierter Rhythmik und Kontrapunktik geprägten Werkes.
Schönberg verbindet hier die einzelnen Bestandteile des Sonatenzyklus (Hauptsatz, Scherzo mit Trio, Adagio und Rondo-Finale) im Satzgefüge einer einzigen »double function form«, in deren Mittelpunkt ein weitläufiger Durchführungsteil steht. Als ein Formmodell für seine Komposition wollte er Beethovens Dritte Symphonie verstanden wissen: »Alexander von Zemlinsky hat mir erzählt, Brahms habe gesagt, daß er sich jedesmal, wenn er sich schwierigen Problemen gegenübersah, Rat zu holen pflegte bei je einem bedeutenden Werk von Bach und Beethoven, die er beide immer in der Nähe seines Stehpults aufbewahrte. [...] Auf gleiche Weise erfuhr ich aus der ›Eroica‹ Lösungen für meine Probleme: wie man Eintönigkeit und Leere vermeidet, wie man aus Einheit Mannigfaltigkeit erzeugt, wie man aus Grundmaterial neue Formen schafft; wieviel aus oft ziemlich unbedeutenden kleinen Gebilden durch geringfügige Modifikationen, wenn nicht durch entwickelnde Variation zu machen ist. Von diesem Meisterwerk lernte ich auch viel über die Schaffung harmonischer Kontraste und ihre Anwendung.« (»Bemerkungen zu den vier Streichquartetten«)
Schönberg wollte damit freilich keiner »mechanischen Kopie« das Wort reden, sondern das Verfahren auf die »Essenz« des Vorbildes bezogen wissen. Das seinerzeit an Schönbergs Komposition als so verstörend und »unmöglich« Empfundene verdankt sich einem Zugleich von geschichtlicher Verantwortung und dem Anspruch auf deren radikal gegenwartsbewusste Entfaltung.

Matthias Schmidt | © Arnold Schönberg Center